Sex ab 50
Ein Wechsel der Prioritäten
Wer kennt nicht den Spruch “Das altert wie Wein", um etwas zu beschreiben, was im Laufe der Zeit in seiner Qualität stets steigt? Ebenso bekannt ist der Gegenspruch “Das altert wie Milch”, um zu beschreiben, wie die Qualität oder Attraktivität von etwas zunehmen mit der Zeit abnimmt. Die gesellschaftliche Wahrnehmung von Sexualität ist wohl eher mit der Milch zu vergleichen. Ältere Menschen werden kaum als sexuelle Wesen wahrgenommen und junge Leute denken, sie hätten das Spiel durchschaut. Doch stimmt das auch?
Länger, härter, schneller - oder einfach anders?
Wer gefragt wird, wann Menschen ihre sexuelle Hochphase haben, würde vermutlich auf die Zwanziger tippen. Das Leben besteht aus Superlativen, man ist quick und agil, neugierig auf die Welt. Der Sex gestaltet sich fast wie von selbst, man ist ausdauernd und probiert neue Positionen und Praktiken mirnichtsdirnichts aus. Das ist alles gut und schön und macht ja auch Spaß. Aber das heißt noch lange nicht, dass es die sexuellen Highlights im Leben sein müssen.
Im Alter ändern sich die Prioritäten. Nicht nur im Leben und im Alltag, sondern auch im Bett. Der Körper ändert sich, daran ist nicht zu rütteln. Es ist ein Privileg zu altern und ebenso auch seine Sexualität synchron dazu neu auszuleben. Die meisten Menschen werden mit den Jahren etwas ruhiger, genießen den Moment und die kleinen Dinge im Leben. Genauso kann es sich im Bett verhalten. Das Ziel ist nicht, neue Rekorde aufzustellen, sondern die gemeinsamen Schäferstündchen aufzusaugen und zu genießen. Und wer kann dazu schon nein sagen?
Ein großer Vorteil, der sich erst mit fortschreitender Lebenszeit zeigt, ist das Wissen um seinen eigenen Körper. Wer 20, 30, 40 Jahre lang intime Erfahrungen sammelt, weiß im besten Fall ungefähr, was er tut, wenn es ans Eingemachte geht. Quasi ganz nach dem Motto “Qualität vor Quantität”.
Häufigkeit von Sex im heterosexuellen Kontext in Deutschland nach Alter und Geschlecht im Jahr 2019
Das Bauchgefühl hat uns nicht getrügt: Menschen in ihren Zwanzigern und Dreißigern haben am Häufigsten Sex. Doch ein weiterer Faktor ist hier auffällig: Die Diskrepanz zwischen Männern und Frauen.
Sex bei Frauen ab 50 - Bedürfnisse vs. Möglichkeiten
Einblicke in die Sexualität von Frauen ab 50 findet man beispielsweise in dem Sexreport von Hims & Hers, in dem unterschiedliche Sexmythen aufgedeckt wurden. Unter anderem wurde die Annahme, dass Frauen mit fortschreitendem Alter keine Lust mehr auf Sex hätten.
Die Ergebnisse zeigen, dass Frauen mit zunehmendem Alter auf eine Art sexuelle gläserne Decke stoßen. Der Großteil der Männer genießt ein aktives Sexualleben bis weit in die Lebensmitte hinein, während sich das Sexualleben der Frauen stark verlangsamt ... aber nicht aus freien Stücken. Während Frauen unter 45 Jahren berichten, dass sie ungefähr genauso viel Sex haben wie Männer, vergrößert sich die sexuelle Kluft zwischen Frauen und Männern mit zunehmendem Alter dramatisch. Doch bevor man dies als Menopause oder mangelnde Libido der Frauen abtun, sollte man lieber zweimal hinschauen. Laut der Studie sind 80 % der Frauen über 45, die keinen Sex haben, nicht glücklich darüber, und eine vorherige (nicht repräsentative) auf Facebook durchgeführte Studie ergab, dass sich 40 % der Frauen in der Lebensmitte mehr Sex wünschen.
"Die Vorstellung, dass Frauen eine niedrige Libido und Männer eine hohe Libido haben, ist absurd. Es gibt viele postmenopausale Frauen mit einer sehr hohen Libido, die Sex lieben und großartige Orgasmen haben. Und ich habe viele männliche Patienten mit einer sehr niedrigen Libido, die sich für ihre Partnerinnen eine höhere Libido wünschen."
Dr. Rachel Rubin, Urologin und Spezialistin für Sexualmedizin
Zudem muss betont werden, dass die Wechseljahre oder der Verlust des Sexualtriebs bei Frauen mit zunehmendem Alter nicht das Problem sind. Alles deutet darauf hin, dass Frauen ihren Sexualtrieb im Alter nicht verlieren - und doch haben sie nicht so viel Sex wie Männer.
Erektionsstörungen ab 50 - Weg von der Scham
Der fünfzigste Geburtstag mag manchen wie eine Art Stichtag vorkommen. Bei manchen passiert es früher, bei manchen später, höchstwahrscheinlich sind jedoch alle Männer von einer schwindenden Erektionsfähigkeit betroffen. Der Penis steht nicht mehr so lange wie früh, er ist manchmal oder ständig weniger hart, teilweise verschwindet die Erektion komplett, trotz dass man definitiv erregt ist. Verständlicherweise kann dies angsteinflößend sein.
Potenzprobleme sind weiterhin ein schambehaftetes Thema. Die enge Assoziation von einer starken Potenz nagt am eigenen Männlichkeitsempfinden vieler Betroffener. Die entstehende Unsicherheit verstärkt in dem Moment die bereits vorhandenen Erektionsprobleme und verhindert die notwendige Entspannung. Und selbst wenn es dann doch wieder klappt, beginnt der Teufelskreis von neuem: Erst ist man wieder zielorientiert, konzentriert auf die Erektion und es klappt! Nur damit es im nächsten Moment wieder zusammenbricht, weil der Leistungsdruck Überhand nimmt. Was tun?
Um aus diesem Teufelskreis auszubrechen, hilft nur das altbewährte Mantra: Communication is key. Und noch etwas: Distanz zur Scham. Scham lässt sich am Besten durch Normalisierung und intensives Auseinandersetzen auflösen. Reden Sie also miteinander. Mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin, mit engen Freunden sowie dem Urologen oder der Urologin. Gegebenenfalls braucht es einfach ein wenig Geduld, in anderen Fällen ist eine ganzheitliche Therapie hilfreich.
Doch was in jedem Fall von Bedeutung ist, ist Geduld. Experimentieren Sie, stellen Sie fest, wie Ihre Erregung kommt und geht, richten Sie Ihr Liebesspiel danach aus. Falls Sie möchten, können Sie auch medikamentöse Hilfen ausprobieren. Es lässt sich jedoch nicht wegargumentieren: Mit fortschreitendem Alter nimmt das Risiko einer erektilen Dysfunktion zu. Daher empfehlen wir Geduld, Experimentierfreudigkeit, einen aktiven Lebensstil und regelmäßige Termine beim Urologen oder Urologin des Vertrauens.